Entwicklungstrauma

Wenn sich viele Autoren bezüglich des Begriffes "Schocktrauma" recht schnell einig werden, wird es im Folgenden schwieriger.  Ich habe mich in Bezug auf die Phänomene, die ich in der Praxis immer wieder erlebe, für den Begriff Entwicklungstrauma entschieden, ein Begriff, den ich bei Bessel van der Kolk gefunden habe und mit dem ich vor allem recht frühe seelische Verletzungen bezeichne, die Traumafolgestörungen nach sich ziehen.

 

Andere Bezeichnungen

Ander Bezeichnungen wären Bindungstrauma (Peter Fonagy / Allan N.  Schore ...), Symbiosetrauma (Franz  Ruppert) oder Bindungs- u. Beziehunstrauma (Wolfgang Wöller).

Auch Beziehungs- und vor allem Bindungstrauma klingt für mich stimmig, da durch das traumatische Geschehen vor allem auch die Beziehungsfähigkeit und das Bindungsverhalten erheblich gestört werden.

 

Meine Sichtweise

Ein Entwicklungstrauma, wie ich es hier verstehe, ist oftmals, v.a. was die Ursache betrifft, nicht fassbar und noch weniger besprechbar von dem Menschen, dem es widerfahren ist.

 

Das was uns da widerfahren ist, geschah oftmals in ganz jungen Jahren. Da in dieser Zeit (v. a. 0 -3. Lebensjahr) unser Erleben noch nicht mit unserem Sprachzentrum verbunden war, ist das Traumatische mit Worten gar nicht oder nur eingeschränkt sprachlich zu fassen.

Auch wenn die traumatisierenden Situationen später stattgefunden haben, sind sie, durch Amnesie und oder Dissoziation, unter Umständen nicht erinnerbar.

 

 

Unser Körper als Schlüssel

Frühe Traumen werden implizit im Körper gespeichert und führen zu einer gestörten systemischen Regulierung. Unsere sogenannten Toleranzfenster (Daniel J. Siegel) für Stimuli jeglicher Art, also die Bandbreite innerhalb deren wir uns wohl fühlen, Stress oder Unangenehmes tolerieren können, wird enger und dadurch auch unsere Selbstregulationsfähigkeit, mehr und mehr beeinträchtigt. Unsere innere, nervale, muskuläre Regulation ist also ständig auf eine vergangene Gefährdungs- / Vernachlässigungssituation eingestellt.

 

Wer bewohnt schon gerne einen solchen Körper? Traumatisierte Menschen gehen mehr und mehr in den Kopf und kontrollieren das Leben von dort aus. Wir trennen uns dann teilweise, mehr oder weniger, von unserem Körper ab. Dies führt dazu, dass wir Emotionen kaum körperlich spüren, angenehme wie unangenehme.

 

Wir nehmen uns, als von der Welt und Mitmenschen getrennt wahr, erleben vielleicht, im nicht aller ungünstigsten Fall, so etwas wie eine anästhetische Sicherheit (Johannes B. Schmidt)

 

Stagnierendes will zu Ende gebracht werden

In unserem Körper wurde  ein Handlungs- / Erlebensmuster, aus der damals so überwältigenden Situation, nicht zu Ende gebracht, weswegen in vielen neueren Therapieformen, bei Traumata, auch bei Entwicklungstrauma, der Körper als Schlüssel zur Türe aus der im Körper stagnierenden Energie, hin zu mehr Lebendigkeit und Verbundenheit, zu uns und unseren Mitmenschen, ist.

 

Die Wurzlen der Resilienz ... sind in dem Gefühl zu suchen, von Geist und herz eines liebevollen, eingestimmten und selbstbeherrschten anderen verstanden zu werden und darin geborgen zu sein

Diana Fosha